Rust - ein gar seltener Ortsname

von Dr. Karl-Heinz Debacher

Über die Entstehung und Herkunft des Ortsnamens "Rust" gibt es bisher unterschiedliche Deutungsversu­che. Einmal gibt es Erklärungen wie die des Baron Ruprecht Freiherrn von Böcklinsau, die bis in die Zeit der römi­schen Besatzung zurückreichen. Dieser behauptet, da in der Nähe der römischen Mili­tärstationen Veteranen oftmals ihr Häuser erbauten, sei der Name des Ortes von einer solchen An­siedlung, einer "villa rustica" herzuleiten. Auch für Emil Sattler, der den Namen von dem lateinisch/römischen Begriff "rusticus", das ländlich, bäuerlich bedeutet, abgeleitet wissen will, liegt der Ursprung des Ortes in einer römischen Ansiedlung.

Eine weitere Auslegung, die Fritz Langenbeck vertritt, führt den Ortsnamen auf Rüster, die Ulme und ihre Funktion als Grenzbaum verbunden mit der historischen Grenzlage des Ortes gegen den Breis­gau, zurück.Neben diesen beiden Deutungen sieht Ernst Förstemann in seinem "Altdeutschen Namenbuch" den Namen Rust vom mittelhochdeutschen "rust", aus nieder­deutsch "rest", Rast herkommen.Am wahrscheinlichsten scheint die Ableitung des Ortsnamens Rust von der Rüster zu sein. Da der Name  des Baumes seine sprachgeschichtliche Entwicklung vom althochdeutschen "ruzboum" über das mittelhochdeutsche "ruost" zur Rüster genommen hat, spricht eindeutig die dialektale Aussprache von Rust und Rüster für diese Folgerung. Denn sie weist in beiden Fällen noch heute die Länge und die Diphtongierung, also die Doppellautung, des mittelhochdeutschen "Ruost" auf und deutet damit auf eine Verwandtschaft der Begriffe hin. Als weiterer Beweis für diese Verbindung mag die Tatsache gelten, dass schon im Eddo-Testament des Jahres 762, das bisher als erste urkundliche Erwähnung des Ortes Rust gilt, "Ruostein" und "Ruostien" geschrieben steht.

Wenn man nun von einer verwandtschaftlichen Beziehung der beiden Begriffe Rust und Rüster aus­geht, kann sich zwar die Erklärung darin erschöpfen, dass man den Ortsnamen Rust auf die Existenz des Baumes und den Namen der Rüster zurückführt, denn ohne Zweifel sind viele Orts- und Fami­liennamen von Pflanzennamen abgeleitet, doch ebenso interessant scheint die Frage nach dem sprachlichen Ursprung dieses Begriffes zu sein. In der Beantwortung dieser Frage gibt Kluges Etymologisches Wörterbuch nur dürftige Auskunft. Rüster ist demnach, der auf das deutsche Sprachgebiet beschränkte Name für die Ulme. Das Wort enthält das `Baumnamenssuffix' -ter, wie auch Holunder, das Vorderglied ist auch selbständig be­zeugt als mittelhochdeutsch "rust", jedoch ist die weitere Herkunft unbekannt.

Ortsschild von Rust mit blauem Himmel im Hintergrund

Auch die Etymologischen Wörterbücher von Duden und Knaur beschränken sich auf diese Aussage. Dagegen bringen uns ältere Wörterbücher, wie Heynes Deutsches Wörterbuch von 1906, Weigands Deutsches Wörterbuch von 1910 oder das von den Gebrüdern Grimm begründete Deutsche Wörter­buch weiter. Sie nehmen nämlich die Ableitung der Rüster vom bereits erwähnten "ruzboum" auf, den Graffe in seinem Althochdeutschen Sprachschatz, allerdings ohne Quellenangabe, erwähnt. Ihnen zufolge geht der Begriff auf den althochdeutschen "ruzboum" zurück, wobei später ein "t" zum "rüst-, oder rustbaum" eingeschoben wird. Dieses "ruz" aber hängt mit dem, aus dem germanischen stammenden, althochdeutschen "riozan" fließen, tränen zusammen, weil die Blätter des Baumes die Eigenschaft haben, klebrige Tropfen fallen zu lassen. Demnach wurde die Rüster als der triefende, fließende Baum bezeichnet.
 Dieser althochdeutsche Stamm "ruz" mit seiner Bedeutung als fließen, eröffnet nun auch für die Herleitung des Ortsnamens Rust eine neue Möglichkeit, wenn man diesen Wortstamm mit dem Fließen von Wasser in Verbindung bringt. Dieser Gedanke drängt sich bei der Lage des Ortes, in ei­ner Flussniederung geradezu auf, wobei die Landschaft um den Ort in geschichtlicher Zeit noch be­trächtlich mehr von Was­serläufen durch­zogen war. Rust könnte als der von Wasser umflossene, der am fließenden Wasser gelegene Ort bezeichnet worden sein. Diese Interpretation ist genauso wahr­scheinlich, wie die Deutung des Namens, als der bei den Rüstern gelegene Ort.

Deshalb muss also der Ortsname nicht zwingend aus dem Namen des Baumes abgeleitet sein, sondern beide Bezeichnungen können der gleichen sprachlichen Wurzel, die fließen bedeutet, entstammen und sich daraus getrennt entwickelt haben.

Ein Blick in Hans Bahlows Deutsches Namenslexikon unterstützt diese These. Dort heißt es:" Rust (oft) ist im Wesentlichen der Flurname Rust = Röhricht Schilficht; und dass Schilf nur in ausgespro­chen wasserreichen Gegenden vorkommt ist eine unumstößliche Tatsache.

Neben einem kleinen norwegischen Weiler, der sich Rust nennt, gibt es wohl nur noch einen weiteren Ort mit genau dem Namen Rust. Dieser liegt im öster­reichischen Burgenland am Neusiedler See, also auch am Wasser, und besitzt sogar eine bedeutende Schilfverarbeitung. Auch in diesem Falle könnte man für die Entstehung des Ortsnamens dasselbe Deutungsmuster wie bei unserem südbadischen Rust anwenden.