Wandarbeit von Petra Göhringer Machleid

Einführung von Frau Dr. Antje Lechleiter, Kunsthistorikerin aus Freiburg, zur Enthüllung des Kunstwerkes im Ruster Rathaus am 30. September 2019:

Wandarbeit im Rathaus

Rust ist eine Gemeinde, die über verschiedenste Facetten verfügt. Zum einen ist da der Europa-Park, der mit seinen jährlich über 5 Millionen Besuchern ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für die Region ist. Rust ist aber auch ein sehr alter Ort mit einer langen Geschichte, so datiert die erste urkundliche Erwähnung auf das Jahr 762. Über Jahrhunderte hinweg lebten die Menschen hier vor allem vom Fischfang und von der Landwirtschaft, wie auch im Ortswappen mit dem Fisch und der Pflugschar verdeutlicht ist. Von besonderer ökologischer Bedeutung ist schließlich das Naturschutzgebiet Taubergießen mit seiner besonderen Fauna und Flora. Hier im Rathaus treffen damit schon einmal drei unterschiedliche Interessengruppen mit ihren teilweise diametral entgegengesetzten Meinungen und Zielsetzungen aufeinander. An diesem Ort gilt es zu einem Arrangement zu kommen, das der Allgemeinheit dient.

Dieser Aspekt bildet den zentralen Punkt des Kunst am Bau Projekts von Petra Göhringer Machleid. Ihre Wandarbeit besteht aus drei versetzt angeordneten, geometrischen Platten, die durch eine Linie aus Stahl miteinander verbunden sind. Die klar begrenzten Flächen stehen für die - im wahrsten Sinne des Wortes - zementierten, mit unterschiedlichen Interessen besetzten Felder, die jedoch nicht isoliert voneinander stehen bleiben, sondern durch das weich geführte Band aus Stahl zu einer Einheit verklammert werden. Das was die Menschen trennt und das, was sie zusammenbringt ist auf diese Weise visualisiert.

Das Zusammenzuführen von Gegensätzen ist ein grundsätzliches Thema der Kunst von Petra Göhringer Machleid. Sie betreibt eine Prozesskunst in der auch physikalische Momente eine Rolle spielen. Wachs und Beton sind zwei Materialien, die sich prinzipiell ganz und gar nicht mögen. Beide waren ja zunächst flüssig, verhalten sich während des Erstarrens aber ganz unterschiedlich und wollen beim Übergang vom flüssigen in den festen Zustand vor allem eines: Sich möglichst schnell wieder voneinander trennen. Die dabei entstehenden "Kampfspuren" - man könnte auch von "Energielinien" sprechen - sind den Platten deutlich erkennbar eingeschrieben und die im Wechsel glatten und zerklüfteten Oberflächen bedeuten letztendlich auch ein Ringen um Gestaltungsräume und Positionen. Beton wird als eher kühl und tot aufgefasst, überdies verweist er auf plastische Themen wie Gewicht, Tragen und Lasten. In Kontakt mit anderen Materialien baut er Spannung auf. Geradezu konträr verhalten sich die mit Wachs gestalteten Bereiche. Wachs verkörpert die Transformation von Wärme und Licht in die goldene Süße von Honig, die Idee des Lichtsammelns und Zeitspeicherns ist diesem Naturmaterial eingeschrieben. Wenn also ein entwicklungsgeschichtlich mit Bedeutung aufgeladener Werkstoff wie Wachs auf den modernen Baustoff Beton trifft, dann prallt das Vergangene auf das Jetzt. Eine Synthese aus beidem könnte ein Modell für die Zukunft sein, und so treten die Platten mit ihren landschaftsähnlichen Strukturen, hellen und dunklen Partien als dialogbereites Gegenüber vor den Betrachter.

Nun haben wir aber noch gar nicht über die frei schwingende Linie aus Stahl gesprochen, welche die drei Platten verklammert. Sie steht für das Wasser als Quelle des Lebens und verbindendes Element und bezieht sich auf die geografische Lage der Gemeinde. Im Zuge ihrer Recherchen fiel der Künstlerin auf, dass die sich im Ort verzweigende Elz eine Verknüpfung zwischen der Gemeinde, dem Auengebiet Taubergießen und dem Europa-Park herstellt. Petra Göhringern Machleid assoziierte die sanft mäandernde Form des Flüsschens mit einem großen Schreitvogel wie dem Kranich, der als Symbol für Weisheit, Langlebigkeit und Glück gilt und wohl auch im Taubergießen vorkommt. Das Element Wasser wird überdies auf den drei Platten durch die wellenförmig bewegte Oberfläche repräsentiert. Hierfür hat die Künstlerin eine spezielle Technik entwickelt, in der durch eine starke Verdichtung des Materials ein Glanz wie bei poliertem Marmor entstanden ist.

Noch ein weiterer Aspekt ist interessant: Denn während mit Wachs und Beton eine eher malerische Bildgestaltung auf den fest gefügten, klar strukturierten Feldern erfolgt, tritt mit der frei geformten Linie aus Stahl ein zeichnerisches Element hinzu. Die Künstlerin bringt damit ein weiteres Mal zum Ausdruck, dass sich alle Positionen - in ihre Verschiedenartigkeit - zu einem harmonischen Ganzen fügen können.

Petra Göhringer Machleid hat eine Wandarbeit entwickelt, die greifbar und klar aber zugleich auch abstrakt ist. Auch ohne Kenntnis der von mir geschilderten Aspekte, spricht sie das emotionale Empfinden und die Fantasie des Betrachters an. So bin ich mir sicher, dass ihr eine Gestaltung gelungen ist, mit der sich alle Bürger der Gemeinde Rust identifizieren können."

Die Künstlerin Petra Göhringer Machleid im Portrait

Petra Göhringer Machleid wurde in Zell a.H. geboren, studierte an der Hochschule für Gestaltung in Pforzheim und lebt mittlerweile in Ettenheim. Weitere Informationen zu der Künsterlin selbst und ihrer Arbeit finden Sie unter www.petra-goehringer.com.